TSH-Bestimmung zum Schilddrüsen-Check
Arztgruppen | Allgemeinmedizin, Innere Medizin |
Bereich | Stoffwechsel |
IGeL
Das Hormon TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) wird in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildet. Es steuert die Ausschüttung der Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Tetrajodthyronin, Thyroxin). Außerhalb der Norm liegende TSH-Konzentrationen, die sich in einer Blutprobe bestimmen lassen, können auf eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse hinweisen. Dann werden die beiden Hormone T3 und T4 in zu geringen oder zu hohen Mengen gebildet. Man vermutet, dass dies zur Entstehung und Verschlimmerung diverser Krankheiten beitragen kann. Die TSH-Bestimmung ist Kassenleistung bei Neugeborenen, bei Menschen mit Beschwerden, die auf eine Schilddrüsen-Fehlfunktion zurückgehen könnten, sowie zur Verlaufskontrolle bei Schilddrüsenerkrankungen. Zur Früherkennung klinisch nicht auffälliger Fehlfunktionen der Schilddrüse ist die TSH-Bestimmung dagegen eine IGeL. Der Test kostet mit Blutabnahme in der Regel zwischen 20 und 30 Euro.
Gesundheitsproblem
Alle Lebensvorgänge gehen mit Stoffwechselprozessen einher. Diese Prozesse werden durch Regelkreise gesteuert. Eine wichtige Steuerzentrale ist hierbei die Schilddrüse. Ihre Hormone T3 und T4 greifen in viele Stoffwechselprozesse regulierend ein, die verschiedene Bereiche betreffen: Energiehaushalt, Nervensystem, Wachstum und Entwicklung, Muskulatur, Herzkreislaufsystem, Kalzium- und Phosphatstoffwechsel. Die Ausschüttung von T3 und T4 wird durch das Hormon TSH reguliert, das in der Hirnanhangsdrüse gebildet wird. Die TSH-Ausschüttung wiederum wird durch das Hormon TRH (Thyreotropin-Releasing Hormon) angeregt, das in einer Region des Zwischenhirns, dem sogenannten Hypothalamus, freigesetzt wird. TRH dient dazu, den Pegel an TSH konstant zu halten: Je niedriger der TSH-Spiegel im Blut ist, desto mehr TRH wird ausgeschüttet, und je höher der TSH-Spiegel ist, desto weniger TRH wird ausgeschüttet.
Eine Fehlfunktion liegt dann vor, wenn die Schilddrüse zu viele Hormone ausschüttet (Hyperthyreose) oder wenn sie zu wenige Hormone ausschüttet (Hypothyreose). Eine Ursache für eine Unterfunktion kann beispielsweise zu wenig Jod in der Nahrung sein. Der „Kropf“, medizinisch „Struma“, der ebenfalls oft auf Jodmangel zurückgeht, muss aber nicht unbedingt ein Zeichen für eine Fehlfunktion der Schilddrüse sein.
Zur Schwere der Fehlfunktion hat man zwei Bereiche definiert.
- subklinische Form: Der TSH-Wert liegt außerhalb des Normbereichs. Dieser Normbereich wird rein mathematisch festgelegt: Die am unteren und oberen Ende liegenden Werte einer Bevölkerung gelten als nicht mehr normal. Ob das auch irgendeine klinische Bedeutung hat, weiß man nicht. Bei etwa jedem dritten bis vierten Menschen mit einem Wert außerhalb der Norm kehrt der Wert von selbst wieder in den Normbereich zurück
- manifeste Form: TSH-Wert und T4-Wert liegen außerhalb des Normbereichs. Etwa jeder 20. bis 100. Mensch mit einer subklinischen Form entwickelt eine manifeste Form. Einige, aber nicht alle Betroffenen mit einer manifesten Schilddrüsenfehlfunktion zeigen typische Symptome.
Typische Anzeichen einer Schilddrüsen-Unterfunktion sind etwa Leistungsschwäche, Antriebsarmut, Müdigkeit, kühle und trockene Haut, brüchiges Haar, Verstopfung, raue Stimme. Typische Anzeichen einer Schilddrüsen-Überfunktion sind Unruhe, leichtes Zittern, warme und feuchte Haut, Gewichtsverlust.
Ein zu niedriger Hormon-Spiegel kann gut behandelt werden. Bei einer Schilddrüsen-Unterfunktion bekommen Betroffene in der Regel ein synthetisch hergestelltes Schilddrüsenhormon (Levothyroxin (T4)). Bei einer Überaktivität können Medikamente gegeben werden, die die Aktivität der Schilddrüse eindämmen. Unter besonderen Umständen kann die Schilddrüse darüber hinaus auch operiert oder mit radioaktivem Jod gedrosselt werden.
Methode
Für die TSH-Bestimmung wird einem Menschen Blut abgenommen. Im Labor wird der Wert dann ermittelt. Der TSH-Wert hängt jedoch auch von Faktoren ab, die nichts mit der Funktion der Schilddrüse zu tun haben: So kann der TSH-Wert während einer Krankheitsphase besonders niedrig sein, auch können verschiedene Substanzen und Medikamente wie Jod, Dopamin und Kortison den TSH-Spiegel beeinflussen.
Für das Abklären von Beschwerden, die mit der Schilddrüse zusammenhängen könnten, ist die TSH-Messung ebenso etablierter Standard wie für die Kontrolle einer Therapie. Da die Schilddrüsen-Hormone für die Entwicklung besonders wichtig sind, werden Neugeborene seit 2005 auf eine angeborene Schilddrüsen-Unterfunktion getestet. All diese Untersuchungen sind Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Empfehlungen anderer
Es wurden drei internationale, hochwertige Leitlinien gefunden, die eine Empfehlung abgeben, ob man einen Schilddrüsen-Check machen lassen sollte. Ein Gremium in den USA, die USPSTF, kam 2015 zu dem Schluss, dass die Studienlage ungenügend ist, um Nutzen und Schaden zu bestimmen und gegeneinander abzuwägen. Diese Leitlinie fußt auf der Übersichtsarbeit von 2014, die wir für unsere Bewertung verwendet haben.
Eine Latein-amerikanische Leitlinie empfiehlt kein Screening (Reihen-Untersuchung), während eine gemeinsame Leitlinie zweier US-amerikanischer Fachgesellschaften für Menschen ab 60 ein Screening auf Schilddrüsenfehlfunktionen empfiehlt. Beide Leitlinien sprechen sich dafür aus, in Risikogruppen aktiv nach möglichen Problemfällen zu suchen.
Aktuelle, hochwertige deutsche Leitlinien wurden nicht gefunden.
Bewertung
Wirkung
Es wurden eine Übersichtsarbeit von 2014, aber keine Einzelstudien gefunden, die nach Studien zum Nutzen und Schaden der TSH-Bestimmung gesucht haben. In der Übersichtsarbeit heißt es, dass der TSH-Test bei Menschen mit Beschwerden relativ zuverlässig eine Schilddrüsenerkrankung ermitteln kann. Das sagt aber nichts darüber aus, ob der TSH-Test bei Menschen ohne Beschwerden auch eine Fehlfunktion der Schilddrüse zuverlässig ermitteln kann.
Nutzen
Eine TSH-Bestimmung zum Schilddrüsen-Check wäre nützlich, wenn sie dazu beitragen würde, dass Menschen eine bessere Lebensqualität haben, dass sie weniger oft und weniger schwer erkranken, oder dass sie nicht vorzeitig sterben.
Es wurden Studien und Übersichtsarbeiten gesucht, die den Nutzen der TSH-Bestimmung bei nicht-schwangeren Erwachsenen ohne Beschwerden, die auf eine Schilddrüsenfehlfunktion zurückgehen könnten, untersucht haben. Nach Studien mit Schwangeren wurde nicht gesucht.
Die bereits erwähnte Übersichtsarbeit von 2014 fand keine Studien, die der Frage nach einem Nutzen nachgegangen sind.
Sie fand aber Studien, die untersucht haben, ob eine Behandlung von Menschen ohne Beschwerden, aber mit TSH-Werten außerhalb der Norm einen Nutzen bringt. Die Studien konnten keinen Vorteil einer frühen Behandlung zeigen: Lebensqualität, Blutdruck, Body-Mass-Index, Knochendichte, geistige Fitness und Blutfettwerte wurden nicht nennenswert besser. Lediglich eine Studie, allerdings von geringer Qualität, fand Vorteile der Behandlung.
Insgesamt sehen wir keine überzeugenden Hinweise auf einen Nutzen.
Schaden
Eine TSH-Bestimmung zum Schilddrüsen-Check wäre schädlich, wenn die Untersuchung selbst Nebenwirkungen hätte, oder Folgen der Untersuchung wie weitere Abklärungen und/oder Therapien die Menschen gefährden oder ihre Lebensqualität beeinträchtigen würden.
Die oben erwähnte Übersichtsarbeit fand keine Studien, die dieser Frage nachgegangen sind.
Da sich nur ein Bruchteil der subklinischen Formen zu manifesten Formen weiter entwickelt, wären viele Behandlungen früher Fehlfunktionen der Schilddrüse zwangsläufig unnötig. Die Nebenwirkungen der Medikamente oder Bestrahlungen müssten dennoch in Kauf genommen werden.
Da sich nicht zeigen lässt, wie oft solche Schäden auftreten, sehen wir Hinweise, aber keine Belege für Schäden.
Fazit
Wir bewerten die TSH-Bestimmung zum Schilddrüsen-Check als „tendenziell negativ“. Diese Bewertung gilt nur für nicht-schwangere Erwachsene ohne Beschwerden, die auf eine Schilddrüsenfehlfunktion zurückgehen könnten. Wie sch Nutzen und Schaden der IGeL für Schwangere darstellen, wurde hier nicht untersucht. Die Bewertung gilt zudem nur für die alleinige TSH-Bestimmung, sie sagt also nichts darüber aus, welchen Nutzen oder Schaden ein Schilddrüsen-Check mit TSH-Bestimmung und Ultraschall haben könnte.
Es wurde eine aktuelle, hochwertige Übersichtsarbeit gefunden. Diese Übersichtsarbeit fand keine Studien, die untersucht haben, ob die TSH-Bestimmung am Ende Menschen vor Krankheit und Tod schützen kann. Sie fanden allerdings Studien, die untersucht haben, ob eine frühe Behandlung einen Nutzen bringt. Diese Studien zeigten keine überzeugenden, positiven Effekte. Auch Ergebnisse zu Schäden waren aus den Studien kaum abzuleiten. Es kann aber zu indirekten Schäden vor allem durch unnötige Behandlungen kommen.