Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung
Arztgruppe | Frauenheilkunde und Geburtshilfe |
Bereich | Geschlechtsorgane der Frau |
IGeL
Zur Früherkennung von Brustkrebs wurde in Deutschland im Jahr 2009 das Programm zum Mammographie-Screening eingeführt. Seitdem hat jede Frau zwischen 50 und 69 alle zwei Jahre Anspruch auf eine Mammographie-Untersuchung im Screening-Programm. Außerdem kann jede Frau ab 30 ihre Brust bei der jährlich angebotenen frauenärztlichen Untersuchung abtasten und sich über die Selbstbeobachtung informieren lassen. Darüber hinaus kommen auch andere Verfahren zum Einsatz, um Brustkrebs früh zu erkennen, wie der Ultraschall und die Magnetresonanztomographie (MRT). Der Ultraschall ist zur Abklärung auffälliger Tast- oder Mammographie-Befunde Kassenleistung. Zur Früherkennung von Brustkrebs ist die Ultraschall-Untersuchung jedoch eine IGeL. Sie wird als strahlungsfreie und einfache Maßnahme beworben und entweder ergänzend zur Mammographie oder anstelle der Mammographie eingesetzt. „Ergänzend“ heißt, dass die Ultraschall-Untersuchung vor dem Alter von 50 Jahren, also vor dem Mammographie-Screening, oder im Alter von 50 bis 69 zusätzlich zum Mammographie-Screening, oder ab dem Alter von 69, also nach dem Mammographie-Screening, durchgeführt wird. Eine Ultraschall-Untersuchung kostet in der Regel zwischen 26 und 60 Euro.
Gesundheitsproblem
Brustkrebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Etwa eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Im Durchschnitt sind Frauen dann 64 Jahre alt, drei von zehn Frauen sind jünger als 55. Im Jahr 2014 wurde in Deutschland bei 70 000 Frauen Brustkrebs festgestellt. Eine von fünf Frauen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wurde, stirbt daran. Brustkrebs ist bei Frauen die fünfthäufigste Todesursache.
Das Robert Koch-Institut nennt in seiner Publikation „Krebs in Deutschland“ folgende Risikofaktoren für Brustkrebs: eine frühe erste und späte letzte Regelblutung, Kinderlosigkeit, höheres Alter bei der ersten Geburt, Hormontherapie, Übergewicht und Bewegungsmangel nach den Wechseljahren, Alkohol, sehr dichtes Brustgewebe, bestimmte gutartige Veränderungen der Brust, überdurchschnittlich viele Brust- und Eierstockkrebs-Fälle in der Familie sowie eine Bestrahlung der Brust in jungen Jahren. Geringfügig erhöht wird das Risiko durch die „Pille“ und Rauchen. Ein besonders niedriges Risiko haben Frauen mit mehreren und frühen Geburten, nach denen sie ihr Baby stillten.
Methode
Ultraschall-Untersuchungen werden in der Medizin sehr häufig eingesetzt. Bei diesem sogenannten bildgebenden Verfahren können mit Hilfe von Ultraschallwellen Körperstrukturen wie Organe oder Blutgefäße sichtbar gemacht werden. Schallwellen werden ausgesendet und von den verschiedenen Geweben unterschiedlich stark reflektiert. Aus den zurückgesendeten Schallwellen wird nahezu in Echtzeit ein zweidimensionales Bild berechnet. Vorteile des Ultraschalls sind, dass er in der Regel schnell anwendbar ist und ohne Röntgenstrahlung funktioniert. Ultraschallwellen gelten zudem als risikoarm.
Ultraschall dient bei verschiedenen Beschwerden zu einer ersten schnellen Orientierung, als zusätzliche Diagnosemethode, zur räumlichen Kontrolle bei Gewebeentnahmen und zur Nachsorge.
Empfehlungen anderer
Deutsche Fachgesellschaften haben 2017 eine ärztliche Leitlinie der höchsten Qualitätsstufe zu Brustkrebs verabschiedet. Darin steht:
- Die Mammographie ist die einzige Methode, von der belegt ist, dass sie Frauen vor dem Brustkrebstod bewahren kann. Deshalb soll Frauen zwischen 50 und 69 Jahren eine Teilnahme am Mammographie-Programm empfohlen werden.
- Für bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT liegen laut Leitlinie keine ausreichenden Hinweise vor, dass sie die Brustkrebstodesfälle verhindern können, weder als Ergänzung noch als Alternative zum Mammographie-Screening.
- Als alleinige Methode zur Brustkrebsfrüherkennung könne „der systematische Einsatz von Sonographie nicht empfohlen werden“.
- Als ergänzende Maßnahme könne der Ultraschall zwar mehr Tumore finden (Sensitivitätserhöhung), vor allem bei Frauen unter 50, bei Frauen mit dichter Brust und bei Frauen mit erhöhtem Risiko. Dafür würden aber mehr Fehlalarme ausgelöst werden und unnötige Untersuchungen und Gewebeproben (Überdiagnosen) erfolgen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) forderte im Juni 2018, dass Ultraschall zur Früherkennung von Brustkrebs eingesetzt werden soll, und zwar bereits ab einem Alter von 40 Jahren. Indem die DEGUM nur den möglichen Nutzen betont, mögliche Schäden durch Fehlalarme und Überdiagnosen aber nicht berücksichtigt, geht sie mit ihrer Forderung weit über die Empfehlung der Leitlinie hinaus.
Zwei US-amerikanische Leitlinien geben keine Empfehlung zur Ultraschall-Untersuchung ab, das heißt, sie erwähnen Ultraschall entweder nicht oder sagen, dass sie aufgrund fehlender Daten weder zu- noch abraten können. Das gilt auch für Frauen mit dichter Brust.
Bewertung
Nutzen
Diese Bewertung gilt nur für Frauen ab 40 Jahren, die kein besonders erhöhtes Brustkrebsrisiko haben.
Der Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung wäre nützlich, wenn er verhindern würde, dass Frauen an Brustkrebs sterben.
Das wissenschaftliche Team des IGeL-Monitors suchte in der Forschungsliteratur nach Übersichtsarbeiten, die folgender Frage nachgegangen sind: Kann eine Ultraschall-Untersuchung bei beschwerdefreien Frauen ohne besonders hohes Brustkrebsrisiko Todesfälle durch Brustkrebs verhindern? Es sollte dabei um Frauen ab 40 Jahren gehen, die den Ultraschall als Ergänzung oder als Alternative zu einem Mammographie-Screening bekamen. Die Suche ergab 5 Übersichtsarbeiten, die selbst jedoch keine entsprechenden Studien fanden.
Es gibt zwar Hinweise aus Studien an Frauen mit hoher Brustdichte, dass mehr Tumore gefunden werden, aber ob das Frauen vor dem Brustkrebstod bewahren kann, ist damit nicht geklärt.
Auch wurde eine aktuelle Einzelstudie aus Japan gefunden, die zwei Gruppen von Frauen verglich: die eine bekam Ultraschall und Mammographie, die andere nur Mammographie. Allerdings ging es bei der Studie nicht darum, ob dank Ultraschall weniger Frauen an Brustkrebs sterben. Zudem schloss die Studie nur Frauen zwischen 40 und 49 Jahren ein, sie wären also für das Mammographie-Programm in Deutschland zu jung gewesen. Beide Gründe führten dazu, dass die Ergebnisse der Studie nicht berücksichtigt wurden.
Insgesamt sehen wir deshalb keine Hinweise auf einen Nutzen des Ultraschalls der Brust zur Krebsfrüherkennung. Das gilt für alle Frauen ab 40, unabhängig davon, ob sie am Mammographie-Programm teilnehmen oder nicht.
Schaden
Der Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung wäre schädlich, wenn die Untersuchung direkt oder indirekt zu Gesundheitsschäden führen oder die Lebensqualität der Frauen beeinträchtigen würde.
Es wurden wie zum Nutzen auch zum Schaden keine Früherkennungs-Studien gefunden.
Dennoch lassen sich aus allgemeinen Überlegungen Rückschlüsse auf mögliche Schäden ziehen. Dabei muss man zwei Szenarien unterscheiden:
- Wird der Ultraschall zusätzlich zur Mammographie eingesetzt, sind weitere Schäden möglich. Direkte Schäden durch den Ultraschall selbst sind zwar nicht zu erwarten. Indirekte Schäden jedoch sind durch Überdiagnosen und Übertherapien zu erwarten, wenn also Tumore gefunden und behandelt werden, die ohne Untersuchung nie auffällig geworden wären. Auch würde der Ultraschall wahrscheinlich Tumore übersehen. Diese Schäden lassen sich aufgrund fehlender Studiendaten jedoch nicht beziffern.
- Wird der Ultraschall alternativ zur Mammographie eingesetzt, fehlen ebenfalls Studiendaten darüber, wie sich das auf die Frauen auswirkt. Mit dem Ultraschall entfallen mögliche Schäden durch die Röntgenstrahlen, die die Mammographie verwendet. Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt an, dass von 10.000 Frauen, die über 20 Jahre am Mammographie-Screening teilnehmen, aufgrund der Strahlenbelastung eine bis zehn Frauen zusätzlich Brustkrebs bekommen. Wir gehen jedoch davon aus, dass Frauen nur einzelne Mammographie-Untersuchungen durch Ultraschall-Untersuchungen ersetzen würden. Ob der Ultraschall mehr Überdiagnosen erzeugen würde als die Mammographie, können wir nicht beurteilen.
Insgesamt sehen wir keine überzeugenden Hinweise auf Schäden des Ultraschalls der Brust zur Krebsfrüherkennung. Das gilt für alle Frauen ab 40, unabhängig davon, ob sie am Mammographie-Programm teilnehmen oder nicht.
Fazit
Wir bewerten die IGeL „Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung“ mit „unklar“. Diese Bewertung gilt für Frauen ab 40 Jahren, die kein besonders erhöhtes Brustkrebs-Risiko haben.
Die Studienlage ist sehr unbefriedigend, da es keine Screening-Studien zum Ultraschall der Brust gibt. Auch aus anderen Studien, die Frauen mit besonders dichtem Brustgeweben untersucht haben, erkennen wir keine Hinweise auf einen Nutzen. Direkte Schäden durch den Ultraschall sind nicht zu erwarten. Ersetzt der Ultraschall einige Mammographie-Untersuchungen, werden Frauen weniger Röntgenstrahlen ausgesetzt. Ob dies aber wirklich ins Gewicht fällt, ist unklar. Indirekte Schäden durch Überdiagnosen und Übertherapien sind grundsätzlich von Früherkennungsuntersuchungen zu erwarten, wir können sie aber nicht quantifizieren. Insgesamt sehen wir also auch keine Hinweise auf Schäden.