Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung
Arztgruppe | Frauenheilkunde und Geburtshilfe |
Bereich | Geschlechtsorgane der Frau |
IGeL
Eierstockkrebs, auch Ovarialkarzinom genannt, ist eine relativ häufige Krebstodesursache bei Frauen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 68 Jahren. Um den Krebs frühzeitig erkennen und behandeln zu können, werden unterschiedliche Methoden angeboten: das Abtasten des Beckenraums, die Ultraschalluntersuchung und verschiedene Bluttests, beispielsweise der Test auf den Tumormarker CA-125. Besteht kein Verdacht auf Eierstockkrebs, wird von den gesetzlichen Krankenkassen nur das jährliche Abtasten ab dem 20. Lebensjahr bezahlt, die anderen Methoden sind IGeL. Bei Verdacht ist die Ultraschalluntersuchung eine wichtige Diagnosemethode und deshalb GKV-Leistung. Frauenärzte bieten Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke oft im Rahmen einer „gynäkologischen Krebsvorsorge“, „großen Krebsvorsorge für die Frau“ oder eines „Sono-Checks“ an. Wenn ohnehin ein Ultraschall gemacht wird, kostet die Untersuchung beider Eierstöcke zusätzlich in der Regel zwischen 9 und 21 Euro. Wenn nur die Eierstöcke untersucht werden, kostet der Ultraschall in der Regel zwischen 25 und 53 Euro.
Gesundheitsproblem
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 7.500 Frauen an Eierstockkrebs, 5.500 sterben daran. Damit ist der Eierstockkrebs nach Brust-, Lungen-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs die fünfthäufigste Krebstodesursache der Frauen. Jeder zehnte Eierstockkrebs geht auf vererbte Fehler in den Genen zurück.
Die Ultraschalluntersuchung gilt als das wichtigste Verfahren, um bei einer Frau, die bereits Beschwerden hat, einem Krebsverdacht nachzugehen. Wenn eine Geschwulst im Ultraschall entdeckt worden ist, wird aber nicht sofort mit einer umfassenden Krebstherapie begonnen. Man möchte zunächst mit weiteren, so genannten nicht invasiven Untersuchungen und Tests sichergehen, dass tatsächlich ein Krebs vorliegt. Wenn diese wenig belastenden Untersuchungen den Verdacht nicht ausräumen können, muss das Gewebe unter dem Mikroskop begutachtet werden. Um das Gewebe zu gewinnen empfiehlt es sich jedoch nicht, eine Gewebeprobe aus dem Eierstock mit einer feinen Nadel zu entnehmen, wie etwa beim Brust- oder Prostatakrebs, weil sich dabei Krebszellen im Bauchraum verteilen könnten. Stattdessen wird der verdächtige Eierstock entfernt und untersucht. Stellt sich dabei der ursprünglich auffällige Befund dann erst als Fehlalarm heraus, ist der Eierstock unnötig entfernt worden.
Ist der Krebs noch auf Eierstöcke und das kleine Becken begrenzt, bestehen gute Heilungsaussichten, wenn die erkrankten Gewebe und Organe entfernt werden und die Patientinnen eventuell zusätzlich eine Chemotherapie erhalten. Je weiter der Krebs fortgeschritten ist, umso mehr befallenes Gewebe wird entfernt, wie etwa Teile des Dickdarms oder die innere Auskleidung der Bauchhöhle. Eine Chemotherapie gehört in diesem Stadium nahezu immer zur Standardbehandlung.
Methode
Ultraschall ist seit seinen Anfängen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die moderne Medizin in fast allen Bereichen unverzichtbar geworden. Mit seiner Hilfe lassen sich Organe im Körperinneren darstellen und zwar schnell, einfach, nebenwirkungsarm, strahlungsfrei und kostengünstig. Ultraschall dient bei verschiedenen Beschwerden zu einer ersten schnellen Orientierung, als zusätzliche Diagnosemethode, zur räumlichen Kontrolle bei Gewebeentnahmen und zur Nachsorge.
Zur Früherkennung des Eierstockkrebses werden in Fachkreisen vor allem eine Ultraschalluntersuchung über die Scheide (transvaginale Sonographie) sowie der Tumormarkertest CA-125 diskutiert.
Empfehlungen anderer
Mehrere deutschen Ärzte-Fachgesellschaft haben 2013 eine so genannte S3-Leitlinie, die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt, zum Eierstockkrebs veröffentlicht. Die Experten lehnen darin eine Reihenuntersuchung von Frauen ohne Anzeichen einer Erkrankung und ohne besondere Risikofaktoren ab: „Ein generelles Screening soll nicht durchgeführt werden.“ Ein bedeutendes Gremium in den USA, die USPSTF, rät in ihrer aktuellen Empfehlung von 2012 ebenfalls davon ab.
Bewertung
Wirkung
Ein Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung wäre treffsicher, wenn er Tumore zuverlässig erkennen würde.
Es wurden insgesamt vier systematische Übersichtsarbeiten gefunden, die unter anderem zwei große, qualitativ hochwertige Studien berücksichtigen. Diese sowie eine weitere, im Juni 2011 veröffentlichte große Studie („PLCO-Studie“) zeigen, dass die Treffsicherheit gering ist: Viele auffällige Befunde stellen sich als Fehlalarm heraus und etliche Tumore werden übersehen. Grob lässt sich sagen, dass von 100 Frauen, bei denen der Ultraschall etwas Auffälliges findet, am Ende 1 Frau die Diagnose Eierstockkrebs erhält. Alle anderen auffälligen 99 Befunde sind also Fehlalarme. Außerdem wird etwa 1 von 3 Tumoren nicht durch die Untersuchung gefunden – weil er entweder übersehen wurde oder weil er zum Zeitpunkt der Untersuchung zu klein oder noch gar nicht vorhanden war.
Der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung ist also wenig treffsicher.
Nutzen
Ein Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung wäre nützlich, wenn er Tod durch Eierstockkrebs verhindern könnte.
Die PLCO-Studie ist die bislang einzige Studie, die aufgrund ihrer Laufzeit und ihres Designs in der Lage ist, festzustellen, ob Eierstockkrebs-Todesfälle durch Früherkennung verhindert werden können. In der Studie bekamen knapp 35.000 Frauen über fünf Jahre jährlich einen transvaginalen Ultraschall sowie einen Test auf den Tumormarker CA-125, in der gleich großen Kontrollgruppe wurden die Frauen dagegen nicht untersucht. Nach 13 Jahren wurden die Todesfälle in beiden Gruppen verglichen. Überraschenderweise zeigte sich, dass ohne Früherkennung weniger Frauen an Eierstockkrebs starben: In der Kontrollgruppe waren es 100, in der Untersuchungsgruppe 118 Frauen. Berücksichtigt man den Zufall, der bei Studienergebnissen immer einkalkuliert werden muss, weist die statistische Auswertung darauf hin, dass die Früherkennung keinen Überlebensvorteil bringt.
Es gibt also keine Hinweise auf einen Nutzen.
Schaden
Ein Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung wäre dann schädlich, wenn der Test selbst oder sich daraus ergebende Maßnahmen die Lebensqualität beeinträchtigen oder eine Gesundheitsgefahr darstellen würden.
Die Ultraschall-Untersuchung selbst ist unbedenklich.
Jeder Fehlalarm kann eine Frau unnötig verunsichern. Die PLCO-Studie zeigt, dass bei jedem dritten Fehlalarm der verdächtige Eierstock mit einer Operation entfernt wurde, was bei jeder sechsten Eierstockentfernung schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich brachte.
Von den knapp 35.000 Frauen, die mit Ultraschall und Tumormarker untersucht wurden, erhielten 212 Frauen die Diagnose Eierstockkrebs, von den knapp 35.000 Frauen, die nicht untersucht wurden, 176 Frauen. Da trotz der Früherkennungsuntersuchung nicht weniger Frauen als ohne Untersuchung starben, scheinen die zusätzlich gefundenen Karzinome keine medizinische Bedeutung zu haben. Sie stellen so genannte Überdiagnosen dar. Da man nicht weiß, welche Krebsfälle Überdiagnosen sind, werden alle behandelt. Etliche Frauen werden also durch die Untersuchung unnötig zu Krebspatientinnen.
Die Ergebnisse der PLCO-Studie und weiterer Studien werten wir nicht nur als Hinweise, sondern als Belege für Schäden. Die Schäden können zwar gravierend sein, sie treten aber unter allen untersuchten Frauen relativ selten auf. Wir werten die Schäden deshalb nicht als „erheblich“, sondern als „gering“. Insgesamt gehen wir daher von Belegen für einen geringen Schaden aus.
Fazit
Einen Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung bewerten wir auch nach einer erneuten Literaturrecherche im Juli 2014 als „negativ“. Vor allem eine aussagekräftige Studie von 2011 zeigt, dass es keine Hinweise auf einen Nutzen der Untersuchung gibt. Diese und weitere identifizierte Studien zeigen jedoch auch, dass aufgrund der Untersuchung Frauen unnötig beunruhigt, sowie in eher seltenen Fällen operiert, und zu Krebspatientinnen werden. Auf Grund der Datenlage werten wir dies als Belege für geringe Schäden.
Die erneute Literatursuche lieferte keine neuen Studien, aber eine neue Empfehlung deutscher medizinischer Fachgesellschaften sowie eine aktualisierte Empfehlung eines US-amerikanischen Gremiums. Beide Expertengruppen lehnen die Untersuchung ab.