Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge
Arztgruppen | Innere Medizin, diverse Fachgebiete |
Bereich | Herz und Blutgefäße |
IGeL
Schlaganfälle sind eine häufige Ursache für Behinderung oder Tod. Bei einem Schlaganfall werden Teile des Gehirns nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt und sterben ab. Manche Schlaganfälle werden durch Ablagerungen in einer Halsschlagader verursacht. Eine Verengung zu erkennen und zu beseitigen, bevor es zu einem Schlaganfall kommt, könnte also eine lohnende Präventionsmaßnahme sein. Die Halsschlagader abzuhören, kann zum Check-up 35 gehören, der allen Versicherten ab dem Alter von 35 Jahren dreijährlich zusteht. Ergibt das Abhören einen Verdacht, ist eine Untersuchung mit speziellen Ultraschallverfahren GKV-Leistung. Auch wenn Menschen Beschwerden haben, die typisch für Durchblutungsstörungen des Gehirns sind, ist die Untersuchung GKV-Leistung. Ob die Beschwerden typisch sind, entscheidet der Arzt. Bei Menschen ohne konkreten Verdacht und ohne Beschwerden ist die Ultraschalluntersuchung dagegen eine IGeL. Sie wird häufig mit anderen Vorsorge-Untersuchungen im Paket etwa als „Gefäß-Check“ angeboten. Eine Ultraschalluntersuchung einer Halsschlagader kostet in der Regel je nach Verfahren und Steigerungssatz zwischen 50 und 90 Euro. Der Paketpreis kann dagegen mehrere hundert Euro betragen.
Gesundheitsproblem
Schlaganfälle sind ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem. Ein kleiner Teil der Schlaganfälle wird durch Hirnblutungen verursacht, der größte Teil dagegen durch Ablagerungen (Plaques) oder Gerinnsel (Thromben), die Adern verengen oder verstopfen, wie etwa eine der Halsschlagadern. Dann wird das Gehirn mit zu wenig Blut versorgt, was dazu führen kann, dass Gehirngewebe abstirbt. Etwa 200.000 Menschen in Deutschland bekommen jährlich einen solchen Schlaganfall. Ein Schlaganfall kann sich durch Schwindel, Seh- oder Sprachstörungen, Lähmungen und andere Beschwerden zeigen. Diese Beschwerden können zwar bald wieder verschwinden, sie sind jedoch ein ernstzunehmendes Warnzeichen. Bleiben die Beschwerden bestehen, sind die Betroffenen eventuell zeitlebens auf Gehhilfen angewiesen und sie können nur eingeschränkt sprechen. Sind die Schäden am Gehirn zu groß, führen sie zum Tod.
Besonders gefährdet sind Personen mit bestimmten Krankheiten: Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) und erhöhte Blutfette. Auch Rauchen, wenig Bewegung, Übergewicht und übermäßiger Alkoholkonsum können das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen.
Man schätzt, dass von den 200.000 Schlaganfälle pro Jahr nur ein Teil, nämlich etwa 30.000, auf eine verengte Halsschlagader zurückgehen. Umgekehrt gilt: Nur ein Teil der verengten Halsschlagadern führt zu einem Schlaganfall. Denn das Gehirn wird von vier großen, miteinander verbundenen Blutgefäßen versorgt, so dass ein teilweiser oder sogar kompletter Ausfall einer Halsschlagader meist ausgeglichen werden kann.
Das bedeutet für eine Früherkennungs-Maßnahme, die die Verengung der Halsschlagader untersucht, und eine anschließende Therapie: Selbst wenn die Maßnahmen sehr effektiv wären, könnte man nur einen Teil der Schlaganfälle verhindern und würde gleichzeitig sehr viele Menschen unnötig behandeln.
Für eine Behandlung bekommen Menschen Medikamente, die zum Beispiel die Blutgerinnung vermindern. Zusätzlich können Patienten an der Halsschlagader operiert werden. Dabei wird die Ader aufgeschnitten und die Ablagerungen, die die Ader verengen, werden entfernt (Carotid Endarterectomy oder CEA). So eine Operation ist nicht ohne Risiken: Ablagerungen können sich lösen und mit dem Blutstrom fortgeschwemmt werden und so andere Blutgefäße verschließen. Alternativ wird ein Drahtgeflecht, ein so genannter Stent, an die verengte Stelle geschoben, um sie aufzuweiten (Carotid Artery Stenting oder CAS). Doch auch dieser Eingriff birgt Risiken. Zudem müssen Patienten mit einem Stent dauerhaft Medikamente einnehmen, die die Blutgerinnung hemmen.
Methode
Im Rahmen der „Schlaganfall-Vorsorge“ wird meist eine spezielle Ultraschalluntersuchung, die Duplexsonographie, als IGeL angeboten. Dabei werden die Strömungsgeschwindigkeit und Strömungsrichtung des Blutes durch eine Tonveränderung des ausgesandten Schalls bestimmt und als zweidimensionale Bilder in Graustufen sichtbar gemacht. Bei einer Farbduplexsonographie wird die Richtung des Blutstroms farbig dargestellt. Das Ausmaß der Verengung (Stenosegrad) wird in Prozentwerten angegeben.
Der Ultraschall der Halsschlagadern wird oft mit anderen Maßnahmen als Paket angeboten. Diese Pakete, die je nach Praxis ganz unterschiedliche Maßnahmen enthalten können, heißen zum Beispiel „Herz-Kreislauf-Vorsorge“ oder „Gefäß-Check“.
Während die Ultraschalluntersuchung nur von Ärzten mit einer speziellen Ausbildung als GKV-Leistung abgerechnet werden darf, kann sie als IGeL von jedem Arzt angeboten werden.
Empfehlungen anderer
In der internationalen Literatur wurden insgesamt vier Leitlinien gefunden. Keine empfiehlt eine Reihenuntersuchung von Menschen ohne Beschwerden und ohne besondere Risikofaktoren.
Die hochwertige ärztliche „S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extracraniellen Carotisstenose“ vom August 2012, an der mehrere deutsche Fachgesellschaften mitgewirkt haben, rät aufgrund der Studienlage ebenfalls von einer Reihenuntersuchung ab: „Ein routinemäßiges Screening auf das Vorliegen einer Carotisstenose soll nicht durchgeführt werden“. Die Experten waren sich einig, dass es sinnvoll sei, eher gefährdete Patienten (mit „vaskulären Risikofaktoren“) mit Ultraschall zu untersuchen, sofern beabsichtigt sei, sie dann auch zu behandeln. Findet sich eine Verengung, sollte die Ader nach Meinung der Experten nach einem halben Jahr und bei unverändertem Befund anschließend jährlich kontrolliert werden. Diese Leitlinie ist seit 30. Juni 2016 abgelaufen, das heißt, dass die Empfehlungen überprüft werden sollten.
Bewertung
Wirkung
Ein Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge bei Menschen ohne Beschwerden soll verengte Halsschlagadern erkennen. Mit modernen Ultraschallverfahren lassen sich Verengungen im Prinzip gut messen. Allerdings ist die Treffsicherheit einer Ultraschalluntersuchung stark von der Fähigkeit des Untersuchers abhängig. Hinzu kommt, dass auch richtig erkannte Verengungen wenig darüber aussagen, ob, wann und mit welchen Folgen jemand einen Schlaganfall bekommen würde.
Nutzen
Ein Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge bei Menschen ohne Beschwerden wäre nützlich, wenn am Ende weniger Menschen einen Schlaganfall bekämen.
Die Wissenschaftler des IGeL-Monitors suchten nach Übersichtsarbeiten und hochwertigen Studien, die folgenden Fragen nachgingen: Kann eine Untersuchung mittels Duplexsonographie oder Farbduplexsonographie dazu beitragen, die Häufigkeit von Krankheit und Tod durch einen Schlaganfall zu vermindern und dadurch die Lebensqualität der Menschen zu verbessern? Es ging dabei um Menschen über 50 Jahren mit oder ohne Risikofaktoren für eine Gefäßkrankheit, aber ohne Beschwerden. Als Vergleich sollten Menschen ohne Untersuchung dienen.
Es wurde eine Übersichtsarbeit von 2014 gefunden, die sich mit dieser Fragestellung auseinandersetzt. Allerdings fanden die Autoren der Übersichtsarbeit keine hochwertigen Studien, so dass die Frage nach einem Nutzen nicht beantwortet werden kann.
Wir sehen also keine Hinweise auf einen Nutzen.
Schaden
Ein Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge bei Menschen ohne Beschwerden wäre schädlich, wenn die Untersuchung selbst Nebenwirkungen hätte, oder Folgen der Untersuchung wie weitere Abklärungen und/oder Therapien die Menschen gefährden oder ihre Lebensqualität beeinträchtigen würden.
Auch wenn die Autoren der Übersichtsarbeit keine Studien gefunden haben, die sich mit den positiven und negativen Folgen der Untersuchung im Hinblick auf einen Schlaganfall auseinander gesetzt haben, so fanden sie doch Studien, die nach den Folgen der Treffsicherheit der Duplexsonographie fragten. Aus diesen Studien schließen die Autoren, dass viele Befunde zu erwarten sind, die mit weiteren Untersuchungen abgeklärt werden und sich dabei als Fehlalarme heraus stellen (falsch-positive Befunde). Diese Untersuchungen können unerwünschte Wirkungen haben: Eine CT-Angiographie etwa bringt die Nebenwirkungen von Röntgenstrahlen und Kontrastmitteln mit sich. Die Zeit der Unsicherheit bis zur Diagnose kann sehr belastend sein. Außerdem sind Befunde zu erwarten, die zwar korrekt sind, aber zu Behandlungen führen, die letztlich nicht nötig gewesen wären, weil die Verengungen der Halsschlagader zeitlebens keine Beschwerden verursacht hätten (Überdiagnose und Übertherapie).
Insgesamt sehen wir also Hinweise auf Schäden.
Fazit
Wir bewerten die IGeL „Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge“ bei Menschen ohne Beschwerden mit „tendenziell negativ“.
Es fanden sich keine Studien, die Vor- und Nachteile einer (Farb-)Duplexsonographie im Hinblick auf die Häufigkeit und Schwere von Schlaganfällen untersucht haben. Über einen möglichen Nutzen kann deshalb keine Aussage getroffen werden. Aus anderen Studien ergeben sich jedoch Hinweise auf Schäden durch Fehlalarme und unnötige Therapien.
Man weiß also nicht, ob eine Gefäßvorsorge mittels Ultraschall der Halsschlagader das Schlaganfallrisiko verringert, man muss jedoch damit rechnen, unnötig geängstigt zu werden, unnötige weitere Untersuchungen zu bekommen und unnötig behandelt zu werden.