Osteopathie bei unspezifischen Kreuzschmerzen
Arztgruppen | Chirurgie/Orthopädie, Allgemeinmedizin |
Bereich | Rücken |
Anlass | Schmerzen |
Verfahren | Osteopathie |
Kosten | In der Regel zwischen 70 und 145 Euro pro Sitzung |
GKV-Leistung | Diverse Leistungen von Medikamenten über nicht-medikamentöse Therapien bis hin zu Operationen |
IGeL
Laut DAK-Gesundheitsreport 2016 geht jeder fünfte Krankheitstag auf Erkrankungen der Muskeln und Knochen zurück. Dabei machen Kreuzschmerzen den größten Posten aus. In den meisten Fällen finden sich keine konkreten Ursachen, dann spricht man von unspezifischen Kreuzschmerzen. Eine häufig angebotene Behandlung ist die Osteopathie. Diese alternativmedizinische Heilkunde wurde im 19. Jahrhundert von einem US-amerikanischen Arzt erfunden. Osteopathinnen und Osteopathen versuchen, mit ihren Händen Problemzonen zu erspüren und diese anschließend beweglicher zu machen. Es geht dabei aber nicht um das Lösen von Verspannungen im physiologischen Sinne, wie etwa beim Masseur, sondern darum, die Beweglichkeit bestimmter Körperpartien wieder herzustellen mit dem Ziel, die Selbstheilungskräfte des Organismus anzuregen. Eine osteopathische Behandlung ist immer eine IGeL, allerdings übernehmen viele Kassen die Kosten freiwillig. Eine Sitzung kostet in der Regel zwischen 70 und 145 Euro.
Gesundheitsproblem
Rückenschmerzen sind Schmerzen, die zwischen dem Hinterkopf und dem Gesäß sitzen, Kreuzschmerzen sitzen im unteren Rücken, also zwischen Rippenbogen und Gesäß. Kreuzschmerzen lassen sich nach Dauer und Ursache einteilen:
- Dauer: Treten die Schmerzen neu auf und halten nicht länger als sechs Wochen an, spricht man von akuten Kreuzschmerzen, dauern sie zwischen 6 und 12 Wochen, spricht man von subakuten Kreuzschmerzen, dauern sie länger als drei Monate und treten fast täglich auf, spricht man von chronischen Kreuzschmerzen. Treten Schmerzen nach mindestens einem halben Jahr erneut akut auf, nennt man sie rezidivierende chronische Kreuzschmerzen.
- Ursache: In höchstens einem von fünf Fällen gibt es einen erkennbaren körperlichen Grund für die Schmerzen, etwa eine Krankheit, eine Verletzung oder eine Entzündung. Dann spricht man von spezifischen Kreuzschmerzen. Meist findet sich keine solche Ursache, dann spricht man von unspezifischen oder funktionellen Kreuzschmerzen. Hierfür können auch psychische und soziale Faktoren sowie Bewegungsmangel eine Rolle spielen. In dieser Bewertung geht es um unspezifische Kreuzschmerzen.
Für den unspezifischen Kreuzschmerz haben ärztliche Fachgesellschaften eine wissenschaftlich fundierte Handlungsanweisung verfasst. Diese „Nationale Versorgungs-Leitlinie Kreuzschmerz“ gibt es auch in einer allgemeinverständlichen Version für Patienten [Link]. Darin heißt es: „In vielen Fällen sind Kreuzschmerzen harmlos und gehen von alleine wieder weg. In diesen Fällen ist es nicht nötig, nach einer Ursache zu suchen. Zudem lassen sich durch aufwendige Untersuchungen zwar manchmal Veränderungen an der Wirbelsäule feststellen. Aber es ist unklar, ob diese Veränderungen wirklich die Ursache für die Kreuzschmerzen sind. Studien lassen vermuten, dass diese Auffälligkeiten häufig nicht der Grund für die Beschwerden sind.“
Zur Diagnose empfiehlt die Leitlinie das gründliche Gespräch und eine körperliche Untersuchung. Dauern die Schmerzen an, sollten Risikofaktoren erfasst werden und der Einsatz bildgebender Verfahren, wie Röntgenuntersuchungen, Computertomographien oder Magnetresonanztomographien, geprüft werden. Nicht empfohlen werden bei akuten Kreuzschmerzen ohne spezielle Warnzeichen Laboruntersuchungen sowie bildgebende Verfahren. Auch bei bis zu sechs Wochen anhaltenden Kreuzschmerzen wird wiederholte Bildgebung nicht empfohlen, wenn sich die Beschwerden nicht ändern.
Zur Therapie heißt es in der Leitlinie:
- Empfohlen werden in erster Linie verschiedene Formen der Bewegung und Bewegungstherapie, aber auch „progressive Muskelrelaxation“, Verhaltenstherapie und eventuell für kurze Zeit in niedriger Dosierung auch Medikamente (NSAR).
- Wärmetherapie, Rückenschule und Manipulations- und Mobilisationstherapien, die auch im Rahmen osteopathischer Behandlungen zur Anwendung kommen, können laut Leitlinie angeboten werden.
- Gemischte Empfehlungen gibt es für Ergotherapie und Massage: Sie sollen nicht bei akuten Kreuzschmerzen, können aber bei chronischen Kreuzschmerzen angeboten werden.
- Von folgenden Maßnahmen, von denen manche als IGeL selbst bezahlt werden müssen, rät die Leitlinie ab: Bettruhe, elektrische Stimulation, Kinesiotapes, Kurzwellendiathermie, Lasertherapie, Magnetfeldtherapie, Orthesen und Schuheinlagen, Kältetherapie, Streckgeräte sowie therapeutischer Ultraschall.
- Zu Medikamenten heißt es in der Leitlinie: „Diese können dafür sorgen, dass Sie Schmerzen nicht mehr so heftig wahrnehmen. Aber sie wirken nicht gegen die Ursachen der Beschwerden. Deshalb reicht es bei Kreuzschmerzen nicht, alleine Medikamente einzunehmen. Arzneimittel können Sie jedoch dabei unterstützen, wieder aktiv zu werden und durch Bewegung die Schmerzen anzugehen.“
Methode
Die Osteopathie ist eine Heilkunde, die der US-amerikanische Arzt Dr. Andrew Taylor Still im Jahr 1874 erfand. Die Bundesvertretung der Osteopathen in Deutschland (VOD) beschreibt die Sicht Stills auf Gesundheit und Krankheit folgendermaßen: „Still betrachtete den Menschen als Einheit aus Körper, Geist und Seele. Nach intensiven Anatomiestudien, war er der Überzeugung, dass der Mensch als Teil der Schöpfung alle Möglichkeiten der Gesundung in sich selbst trägt. Voraussetzung dafür war für ihn eine gute Beweglichkeit und Dynamik in allen Körperbereichen. Eine hervorgehobene Rolle sah er dabei vor allem in der Ver- und Entsorgung des Gewebes durch Blut- und Lymphflüssigkeit bei intakter Nervenversorgung. Ziel seiner Untersuchung und Behandlung war es daher nur mit den Händen Bewegungseinschränkung im Gewebe aufzuspüren, diese zu beseitigen und dann den Körper mit einer verbesserten inneren Beweglichkeit sich bei der eigenen Heilung selbst zu überlassen.“
Auch heute noch diagnostizieren und behandeln Osteopathen ausschließlich mit den bloßen Händen. Die Osteopathie gehört aufgrund ihrer nicht wissenschaftlichen Grundannahmen sowie ihres Selbstverständnisses zur Komplementär- und Alternativmedizin. Die Osteopathie behandelt keineswegs nur Beschwerden des Bewegungsapparates, da nach Stills Lehre letztlich nahezu alle Arten von Krankheiten auf die eingeschränkte Beweglichkeit bestimmter Körperpartien zurückgehen.
Osteopathie gilt in Deutschland als Heilkunde und darf somit nur von Ärzten oder Heilpraktikern eigenständig ausgeübt werden. Osteopathisch ausgebildete Physiotherapeuten dürfen nur auf Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers, im Rahmen ihres Tätigkeitsbereichs osteopathisch arbeiten.
Empfehlungen anderer
Die bereits erwähnte deutsche „Nationale Versorgungs-Leitlinie Kreuzschmerz“ von 2017 spricht eine schwache Empfehlung für Manipulations- und Mobilisationsverfahren, die auch im Rahmen osteopathischer Behandlungen (ebenso wie im Rahmen anderer manueller Therapien) durchgeführt werden, aus („kann“ im Gegensatz zu „sollte“ und „soll“): „Manipulation / Mobilisation kann zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.“