Glukokortikoide beim Hörsturz
Arztgruppe | Hals-Nasen-Ohrenheilkunde |
Bereich | Gehör |
Anlass | Hörverlust |
Verfahren | Systemische Gabe von Glukokortikoiden mit Tabletten oder Infusionen |
Kosten | Eine einzelne Glukokortikoid-Infusion kostet in der Regel zwischen 10 und 40 Euro |
GKV-Leistung | Untersuchungen zur Abklärung eines Hörverlustes; Therapien mit anerkannten Methoden bei behandelbaren Ursachen eines Hörverlustes, also nicht beim Hörsturz |
IGeL
Der Hörsturz ist ein plötzlicher Hörverlust, dessen Ursachen unbekannt sind. Oft stellt sich das Hörvermögen von selbst wieder ein. Als Therapie wird vor allem die Gabe von Arzneimitteln diskutiert, die entweder die Durchblutung verbessern oder eine Entzündung hemmen können. Als Entzündungshemmer kommen Glukokortikoide in Frage. Zu dieser Substanzgruppe zählen Kortison sowie chemisch veränderte Varianten. Eine Behandlung des Hörsturzes ist immer eine IGeL, da bislang überzeugende Therapiekonzepte fehlen. Eine einzelne Glukokortikoid-Infusion kostet in der Regel zwischen 10 und 40 Euro.
Gesundheitsproblem
Als Hörsturz wird ein Hörverlust bezeichnet, der plötzlich und meist nur in einem Ohr auftritt, der von Schwindel, Ohrgeräuschen (Tinnitus) und Druckgefühl im Ohr begleitet sein kann, und der von leichter Schwerhörigkeit bis zur Taubheit reicht. Etwa drei von tausend Menschen in Deutschland sind jährlich davon betroffen. Bislang ist nicht bekannt, was einen Hörsturz auslöst und was dabei im Ohr vorgeht, auch wenn es viele Vermutungen und Spekulationen darüber gibt. So werden beispielsweise Durchblutungsstörungen in den Gefäßen im Innenohr sowie Immunreaktionen als mögliche Ursachen diskutiert. Da es neben dem Hörsturz noch andere Formen der akuten Innenohrschwerhörigkeit gibt, besteht der Zweck der Diagnose des Hörsturzes vor allem darin, andere Ursachen des Hörverlustes auszuschließen.
Da der Hörsturz die Lebensqualität eines Patienten erheblich einschränkt, hält die S1-Leitlinie „Hörsturz“ der „Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie“ einen Behandlungsversuch grundsätzlich für gerechtfertigt. Allerdings ist eine zielgerichtete Therapie, die an den Ursachen des Hörsturzes ansetzt, nicht möglich, da man die Ursachen nicht kennt. Für eine Therapie diskutiert die Leitlinie zwei Arten von Arzneimitteln: solche, die die Fließeigenschaften des Blutes verbessern (Rheologika), und entzündungshemmende Glukokortikoide. Als weitere Behandlungsformen werden in der Leitlinie die im IGeL-Monitor bereits bewertete hyperbare Sauerstofftherapie sowie die antivirale Therapie genannt.
Studien deuten an, dass bei der Mehrzahl der Patienten ein Hörsturz auch unbehandelt wieder heilt. Wenn also ein HNO-Arzt behauptet, dass ein Patient, der einen Hörsturz in den ersten acht bis zwölf Wochen nicht behandeln lässt, in der Folge unweigerlich auf ein Hörgerät angewiesen sein wird, ist dies nicht korrekt.
Methode
Glukokortikoide sind Hormone, die der menschliche Organismus selbst bildet. Sie erfüllen wichtige Aufgaben im Zucker-, Eiweiß- und Fettstoffwechsel. Zu den Glukokortikoiden zählt etwa das bekannte Kortison. Als die Glukokortikoide chemisch hergestellt werden konnten, versuchte man, sie durch leichte Veränderungen wirksamer und gleichzeitig nebenwirkungsärmer zu machen. Heute sind Medikamente wie Prednison, Methyprednison oder Dexamethason im Einsatz, die leichte Abwandlungen des Kortisons darstellen.
Glukokortikoide werden bei zwei Arten von Krankheiten eingesetzt: Wenn der Organismus zu wenig davon produziert, werden sie zur Ergänzung, als so genannte Substitutionstherapie gegeben. Darüber hinaus wirken Glukokortikoide vor allem entzündungshemmend, sie können demnach als Medikamente zum Beispiel bei Allergien, Rheuma, Asthma, bestimmten Leber-, Darm-, Nerven- und Hauterkrankungen eingesetzt werden. Sie können systemisch, das heißt im ganzen Körper verabreicht werden. Dabei gibt man sie als langsam oder schnell wirkende Tabletten oder als Infusion. Sie können aber auch lokal, das heißt örtlich begrenzt gegeben werde, und zwar als Salbe, Creme, Tropfen oder Spray. Auch bei einer lokalen Auftragung können die Substanzen jedoch in den Blutkreislauf gelangen und dann systemisch wirken.
Zur Behandlung des Hörsturzes werden Glukokortikoide entweder systemisch als Tabletten oder Infusionen verabreicht oder lokal durch das Trommelfell in das Mittelohr (sogenannte „intratympanale Applikation“) gespritzt. Die Idee dabei ist, dass der Hörsturz irgendetwas mit einer Reaktion des Immunsystems im Innenohr zu tun hat. In dieser IGeL-Bewertung geht es nur um die systemische Anwendung in Form von Tabletten oder Infusionen. Diese Bewertung ist nicht auf die lokale Anwendung übertragbar.