NMP22-Test zur Früherkennung von Harnblasenkrebs
Arztgruppen | Urologie, Allgemeinmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe |
Bereich | Blase und Nieren |
Anlass | Früherkennung von Blasenkrebs |
Verfahren | Messung von Substanzen im Urin |
Kosten | Der NMP22-Test kostet inklusive Beratung in der Regel zwischen 31 und 41 Euro. |
GKV-Leistung | Bei begründetem Verdacht Urinuntersuchungen zum Beispiel auf rote Blutkörperchen mit Teststreifen und Suche nach Krebszellen im Urin (Urinzytologie). Zur weiteren Abklärung ggf. Blasenspiegelung, Ultraschall, Röntgenuntersuchungen. Bei manchen Berufsgruppen mit besonderer Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien werden im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie nach dem Ausscheiden aus dem Beruf Untersuchungen auch durch die jeweils zuständigen Kostenträger (Arbeitgeber bzw. gesetzliche Unfallversicherung) übernommen. |
IGeL
Harnblasenkrebs ist ein relativ häufiger Tumor mit etwa 5700 Todesfällen pro Jahr. Männer sind zweimal so häufig betroffen wie Frauen, Raucherinnen und Raucher sind besonders gefährdet. Wenn sich der Krebs bemerkbar macht, kann er bereits weit fortgeschritten und nur noch schwer behandelbar sein. Die auf dem Markt angebotenen Tests und Untersuchungen sind keine Pflicht-Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen und werden von Ärzten als IGeL angeboten. Der NMP22 konnte bis zum Jahr 2012 im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge Arbeitern der Chemieindustrie angeboten werden. Er wird aber auch hier für symptomfreie Personen nicht mehr empfohlen. Der NMP22-Test weist in der Urinprobe eines Patienten eine Substanz nach, die vor allem von bösartigen Blasentumoren gebildet wird. Der NMP22-Test kann im Labor oder sofort in der Arztpraxis ausgewertet werden und kostet inklusive Beratung in der Regel zwischen 31 und 41 Euro.
Gesundheitsproblem
Laut Robert Koch Institut wurde im Jahr 2010 bei insgesamt rund 28.500 Menschen Harnblasenkrebs festgestellt. Davon entfielen etwa 15.500 Tumore auf den so genannten invasiven Harnblasenkrebs, der bereits in umliegendes Gewebe eingedrungen ist, und die restlichen 13.000 Tumore auf lokal begrenzte Tumore oder so genannte “In-situ-Tumore“, die zwar keine Metastasen absondern, aber stark wachsen können und auch nach dem Entfernen häufig wiederkommen. Harnblasenkrebs ist wie viele andere Tumorarten eine Krankheit des Alters: Drei Viertel der Tumore betreffen Menschen ab 65 Jahren. Berücksichtigt man das Alter, erkranken und sterben heute deutlich weniger Menschen an Blasenkrebs als noch in den 1990er Jahren.
Als Risikofaktoren gelten vor allem Rauchen und Passivrauchen. Daneben können auch Chemikalien, mit denen Menschen im Beruf Kontakt haben, Blasenkrebs auslösen. Das Robert Koch Institut weist darauf hin, dass in Europa die gefährlichsten Gifte aus Industrie und Handwerk inzwischen verschwunden sind. Der Rückgang der Neuerkrankungen und Sterbefälle hängt vermutlich damit zusammen, dass weniger Menschen rauchen und im Beruf gefährlichen Chemikalien ausgesetzt sind. Ebenfalls krebsauslösend können Zytostatika und Strahlen wirken, die zur Behandlung anderer Tumore eingesetzt werden. Und schließlich können auch chronische Blasenentzündungen die Tumorentstehung begünstigen.
Beim Blasenkrebs sind, wie bei den meisten anderen Tumorarten auch, frühe Krebsherde, die noch nicht gestreut haben, besser heilbar als späte, bereits gestreute Tumore.
Methode
Da Substanzen der Blase mit dem Harn direkt nach außen gelangen, ist die Idee naheliegend, im Urin nach Substanzen zu suchen, die von Krebszellen stammen. Diese Tumormarker genannten Substanzen gelten schon lange als Hoffnungsträger, um auch kleine und frühe Krebsherde aufspüren zu können. Der bekannteste Markertest ist der PSA-Test zur Früherkennung des Prostatakarzinoms anhand einer Blutprobe. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Krebszellen vielfach dieselben Substanzen abgeben wie gesunde Zellen, allerdings teilweise in höheren Konzentrationen. Es genügt also nicht, mit Markertests nach bestimmten Molekülen zu fahnden, sondern man muss auch die Konzentration der Moleküle bestimmen. Erschwerend kommt hinzu, dass hohe Konzentrationen, weil sie auch andere Ursachen haben können, keinesfalls zwangsläufig auf einen Tumor hinweisen, und niedrige Konzentrationen einen Tumor keinesfalls ausschließen, weil manche Tumore nicht besonders viel Markersubstanzen abgeben.
Üblicherweise wird eine bestimmte Schwelle festgelegt, ab der eine Markerkonzentration als verdächtig gilt. Liegt der Markerwert über dieser Schwelle, wird der Verdacht mit weiteren, teilweise belastenden Untersuchungen abgeklärt. Grundsätzlich kann es keine befriedigende Marker-Schwelle geben: Je niedriger die Schwelle angesetzt wird, desto weniger Tumore werden übersehen, aber desto mehr Fehlalarme werden produziert, und je höher die Schwelle angesetzt wird, desto weniger Fehlalarme werden produziert, aber desto mehr Tumore werden übersehen.
Im Urin von Patienten mit Blasenkrebs wurde tatsächlich eine Substanz gefunden, die vermehrt von Tumorzellen der Blase gebildet wird: das nukleäre Matrixprotein, oder kurz NMP. Daraus wurde vor über zehn Jahren ein heute verbreiteter Markertest für den Blasenkrebs, der NMP22-Test, entwickelt. Der Test wird als Labortest angeboten, das heißt, der Arzt schickt die Urinprobe ins Labor und sie wird dort ausgewertet, sowie als Schnelltest, dessen Ergebnis der Arzt direkt in seiner Praxis in etwa 30 Minuten ablesen kann. Man kann davon ausgehen, dass der Schnelltest weniger genau ist als der Labortest.
Für die Herstellerfirma und anbietende Ärzte steht der Nutzen beider Tests offenbar außer Frage. Auf Praxishomepages wird er beispielsweise als „hoch sensitiver und spezifischer Tumormarker zur frühzeitigen Erfassung des Blasenkarzinoms“ angepriesen, und es wird eine „größtmögliche Sicherheit“ versprochen. Der Hersteller bietet neben den Informationen auf seiner Homepage auch einen professionell gestalteten Flyer an, den die Ärztin oder der Arzt ihren Patienten als „Infomaterial“ aushändigen kann. Darin heißt es, „der Test hilft, Blasenkrebs früh zu erkennen“ und „Früherkennung hilft, die Blasenkrebs-Sterberate zu verringern.“ Dies hieße, der Test helfe Leben retten. Wer älter als 45 Jahre, aktiver oder ehemaliger Raucher oder etwa Friseurin ist, oder körperliche Symptome bemerkt, solle mit dem Arzt über den Test sprechen. Um dem Arzt die Arbeit noch zu erleichtern, enthält der Flyer auch eine Einverständniserklärung für die Inanspruchnahme der IGeL, die die Leserin oder der Leser ausfüllen und dem Arzt aushändigen soll.
Empfehlungen anderer
Es wurde keine deutsche Leitlinie gefunden, die das Thema Blasenkrebs behandelt. Eine S3-Leitlinie ist in Arbeit. In einer ausführlichen Broschüre der Deutschen Krebshilfe von 2011 heißt es: „Bislang ist die Wertigkeit der heutzutage zur Verfügung stehenden Blasentumortests noch nicht geklärt. Da bei ihnen die Rate falsch positiver Diagnosen hoch ist, werden sie derzeit nicht empfohlen.“ Die US Preventive Services Task Force findet in einem Gutachten zur Blasenkrebsfrüherkennung von 2011 keine ausreichenden Belege, um eine Bilanz aus Nutzen und Schaden aller analysierten Maßnahmen für eine Früherkennung eines Blasenkarzinoms ermitteln zu können.